
Einen schönen und gesegneten 3. Advent

Einen schönen und gesegneten 3. Advent

Warum der Engel lachen musste
© Jutta Fellner-Pickl
Die bevorstehende Geburt des Christkinds bereitete den Engeln ziemliches Kopfzerbrechen. Sie mussten nämlich bei ihren Planungen sehr vorsichtig sein, damit die Menschen auf Erden nichts davon bemerkten. Denn schließlich sollte das Kind in aller Stille geboren werden und nicht einen Betrieb um sich haben, wie er in Nazareth auf dem Wochenmarkt herrschte.
Probleme gab es auch bei der Innenausstattung des Stalles von Bethlehem. An der Futterraufe lockerte sich ein Brett aber hat jemand schon einmal einen Engel mit Hammer und Nagel gesehen?! Das Stroh für das Krippenbett fühlte sich hart an, das Heu duftete nicht gut genug, und in der Stalllaterne fehlte das Öl.
Aber auch was die Tiere anbetraf, gab es allerhand zu bedenken. Genau an dem für den Engelschor auserwählten Platz hing ein Wespennest. Das musste ausquartiert werden. Denn wer weiß, ob Wespen einsichtig genug sind, um das Wunder der Heiligen Nacht zu begreifen? Die Fliegen, die sich Ochse und Esel zugesellt hatten, sollten dem göttlichen Kind nicht um das Näslein summen oder es gar im Schlafe stören. Nein, kein Tier durften die Engel vergessen, das etwa in der hochheiligen Nacht Unannehmlichkeiten bereiten könnte.
Unter dem Fußboden im Stall wohnte eine kleine Maus. Es war ein lustiges Mäuslein, das sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen ließ, höchstens, wenn die Katze hinter ihm her war. Aber dann flüchtete es schnell in sein Mäuseloch zurück. Im Herbst hatte die Maus fleißig Früchte und Körner gesammelt; jetzt schlief sie in ihrem gemütlichen Nest. Das ist gut, dachte der verantwortliche Engel, wer schläft, sündigt nicht, und bezog die Maus nicht weiter in seine Überlegungen ein.
Nach getaner Arbeit kehrten die Boten Gottes in den Himmel heim. Ein Engel blieb im Stall zurück; er sollte der Mutter Maria in ihrer schweren Stunde beistehen. Damit aber keiner merkten konnte, dass er ein Engel war, nahm er seine Flügel ab und legte sie sorgsam in eine Ecke des Stalles. Als die Mutter Maria das Kind gebar, war sie sehr dankbar für die Hilfe des Engels.
Denn kurz darauf kamen schon die Hirten, nachdem sie die frohe Botschaft gehört hatten, und der Hütehund und die Schafe. Obwohl die Männer sich bemühten, leise zu sein, und sozusagen auf Zehenspitzen gingen, klangen ihre Schritte doch hart und der Bretterboden knarrte. War es da ein Wunder, dass die Maus in ihrem Nest aufwachte? Sie lugte zum Mäuseloch hinaus und hörte die Stimme “ Ein Kind ist uns geboren …“, konnte aber nichts sehen.
Neugierig verließ sie ihr schützendes Nest und schon war die Katze hinter ihr: Schnell wollte das Mäuslein in sein Mäuseloch zurück, aber ein Hirte hatte inzwischen seinen Fuß darauf gestellt. „Heilige Nacht hin oder her“, sagte die Katze zu der entsetzten Maus, „jetzt krieg ich dich!“
Und damit ging die wilde Jagd los. Die Maus in ihrer Angst flitzte von einer Ecke in die andere, sauste zwischen den Beinen der Hirten hindurch, huschte unter die Krippe und die Katze immer hinterher: Zwischenzeitlich bellte der Hütehund und die Schafe blöckten ängstlich. Irgendwo gackerte aufgeregt eine Henne.
Die Hirten wussten nicht recht, was los war, denn eigentlich waren sie gekommen, um das Kind anzubeten. Aber sie konnten ja ihr eigenes Wort nicht mehr verstehen, und alles rannte durcheinander: Es ging zu wie in Nazareth auf dem Wochenmarkt.
Als die Engel im Himmel das sahen, ließen sie buchstäblich ihre Flügel hängen. Es ist tröstlich zu wissen, dass auch so unfehlbare Wesen wie Engel nicht an alles denken. Das Mäuslein indessen befand sich in Todesangst. Es glaubte seine letzte Sekunde schon gekommen, da flüchtete es in seiner Not unter die Engelsflügel. lm gleichen Moment fühlte es sich sachte hochgehoben und dem Zugriff der Katze entzogen. Das Mäuslein wusste nicht, wie ihm geschah. Es schwebte bis unters Dachgebälk, dort hielt es sich fest. Außerdem hatte es jetzt einen weiten Blick auf das ganze Geschehen im Stall.
Die Katze suchte noch ungläubig jeden Winkel ab, aber sonst hatte sich alles beruhigt. Der Hütehund, bewachte die ruhenden Schafe. Die Hirten knieten vor der Krippe und brachten dem Christkind Geschenke dar. Alles Licht und alle Wärme gingen von diesem Kinde aus. Das Christkind lächelte der Maus zu, als wollte es sagen, „Gell, wir wissen schon, wen die Katze hier herunten sucht“. Sonst hatte niemand etwas von dem Vorkommnis bemerkt.
Außer dem Engel, der heimlich lachen musste, als er die Maus mit seinen Flügeln sah. Er kicherte und gluckste trotz der hochheiligen Stunde so sehr, dass sich der heilige Josef schon irritiert am Kopf kratzte.
Es sah aber auch zu komisch aus, wie die kleine Maus mit den großen Flügeln in die Höhe schwebte. Die erstaunte Maus hing also oben im Dachgebälk in Sicherheit.
Und ihre Nachkommen erzählen sich noch heute in der Heiligen Nacht diese Geschichte. Macht ihnen die Speicher und Türme auf, damit sie eine Heimat finden – die Fledermäuse – wie damals im Stall von Bethlehem.
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Hier gibt es noch mehr wunderbare Geschichten http://www.jutta-fellner-pickl.de
Weil mir heute danach ist.

Christkindl-Ahnung im Advent
von Ludwig Thoma
Erleben eigentlich Stadtkinder Weihnachtsfreuden? Erlebt man sie heute noch? Ich will es allen wünschen, aber ich kann es nicht glauben, daß das Fest in der Stadt mit ihren Straßen und engen Gassen das sein kann, was es uns Kindern im Walde gewesen ist.
Der erste Schnee erregte schon liebliche Ahnungen, die bald verstärkt wurden, wenn es im Haus nach Pfeffernüssen, Makronen und Kaffeekuchen zu riechen begann, wenn am langen Tische der Herr Oberförster und seine Jäger mit den Marzipanmodeln ganz zahme, häusliche Dinge verrichteten, wenn an den langen Abenden sich das wohlige Gefühl der Zusammengehörigkeit auf dieser Insel, die Tag und Tag stiller wurde, verbreitete.
In der Stadt kam das Christkind nur einmal, aber in der Riß wurde es schon Wochen vorher im Walde gesehen, bald kam der, bald jener Jagdgehilfe mit der Meldung herein, daß er es auf der Jachenauer Seite oder hinter Ochsensitzer habe fliegen sehen. In klaren Nächten mußte man bloß vor die Türe gehen, dann hörte man vom Walde herüber ein feines Klingeln und sah in den Büschen ein Licht aufblitzen. Da röteten sich die Backen vor Aufregung, und die Augen blitzten vor freudiger Erwartung. Je näher aber der Heilige Abend kam desto näher kam auch das Christkind ans Haus, ein Licht huschte an den Fenstern des Schlafzimmers vorüber, und es klang wie von leise gerüttelten Schlittenschellen. Da setzten wir uns in den Betten auf und schauten sehnsüchtig ins Dunkel hinaus; die großen Kinder aber, die unten standen und auf eine Stange Lichter befestigt hatten, der Jagdgehilfe Bauer und sein Oberförster, freuten sich kaum weniger.
Es gab natürlich in den kleinen Verhältnissen kein Übermaß an Geschenken, aber was gegeben wurde, war mit aufmerksamer Beachtung eines Wunsches gewählt und erregte Freude. Als meine Mutter an einem Morgen nach der Bescherung ins Zimmer trat, wo der Christbaum stand, sah sie mich stolz mit meinem Säbel herumspazieren, aber ebenso frohbewegt schritt mein Vater im Hemde auf und ab und hatte den neuen Werderstutzen umgehängt, den ihm das Christkind gebracht hatte.
Wenn der Weg offen war, fuhren meine Eltern nach den Feiertagen auf kurze Zeit zu den Verwandten nach Ammergau. Ich mag an die fünf Jahre gewesen sein, als ich zum ersten Male mitkommen durfte, und wie der Schlitten die Höhe oberhalb Wallgau erreichte, von wo sich aus der Blick auf das Dorf öffnete, war ich außer mir vor Erstaunen über die vielen Häuser, die Dach an Dach nebeneinander standen. Für mich hatte es bis dahin bloß drei Häuser in der Welt gegeben.

Der Tannenbaum
Teil III
von Hans Christian Andersen
„Nun ist es Winter draußen!“ dachte der Baum. Die Erde ist hart und mit Schnee bedeckt, die Menschen können mich nicht pflanzen; deshalb soll ich wohl bis zum Frühjahr hier im Schutz stehen! Wie wohlbedacht ist das! Wie die Menschen doch so gut sind! Wäre es hier nur nicht so dunkel und schrecklich einsam! Nicht einmal ein kleiner Hase! Das war doch niedlich da draußen im Walde, wenn der Schnee lag und der Hase vorbeisprang, ja selbst als er über mich hinwegsprang; aber damals mochte ich es nicht leiden. Hier oben ist es doch schrecklich einsam!“
„Piep, piep!“ sagte da eine kleine Maus und huschte hervor; und dann kam noch eine kleine. Sie beschnüffelten den Tannenbaum, und dann schlüpften sie zwischen seine Zweige.
„Es ist eine greuliche Kälte!“ sagten die kleinen Mäuse. „Sonst ist hier gut sein; nicht wahr, du alter Tannenbaum?“ „Ich bin gar nicht alt!“ sagte der Tannenbaum; „es gibt viele, die weit älter sind denn ich!“
„Woher kommst du?“ fragten die Mäuse, „und was weißt du?“ Sie waren gewaltig neugierig. „Erzähle uns doch von den schönsten Orten auf Erden! Bist du dort gewesen? Bist du in der Speisekammer gewesen, wo Käse auf den Brettern liegen und Schinken unter der Decke hängen, wo man auf Talglicht tanzt, mager hineingeht und fett herauskommt?“ „Das kenne ich nicht“, sagte der Baum; „aber den Wald kenne ich, wo die Sonne scheint und die Vögel singen!“ Und dann erzählte er alles aus seiner Jugend. Die kleinen Mäuse hatten früher nie dergleichen gehört, sie horchten auf und sagten: „Wieviel du gesehen hast! Wie glücklich du gewesen bist!“
„Ich?“ sagte der Tannenbaum und dachte über das, was er selbst erzählte, nach. „Ja, es waren im Grunde ganz fröhliche Zeiten!“ Aber dann erzählte er vom Weihnachtsabend, wo er mit Zuckerwerk und Lichtern geschmückt war. „Oh“, sagten die kleinen Mäuse, „wie glücklich du gewesen bist, du alter Tannenbaum!“
„Ich bin gar nicht alt!“ sagte der Baum; „erst in diesem Winter bin ich aus dem Walde gekommen! Ich bin in meinem allerbesten Alter, ich bin nur so aufgeschossen.“
„Wie schön du erzählst!“ sagten die kleinen Mäuse, und in der nächsten Nacht kamen sie mit vier anderen kleinen Mäusen, die den Baum erzählen hören sollten, und je mehr er erzählte, desto deutlicher erinnerte er sich selbst an alles und dachte: Es waren doch ganz fröhliche Zeiten! Aber sie können wiederkommen, können wiederkommen! Klumpe-Dumpe fiel die Treppe hinunter und bekam doch die Prinzessin; vielleicht kann ich auch eine Prinzessin bekommen.“ Und dann dachte der Tannenbaum an eine kleine, niedliche Birke, die draußen im Walde wuchs; das war für den Tannenbaum eine wirkliche, schöne Prinzessin.
„Wer ist Klumpe-Dumpe?“ fragten die kleinen Mäuse. Da erzählte der Tannenbaum das ganze Märchen, er konnte sich jedes einzelnen Wortes entsinnen; die kleinen Mäuse sprangen aus reiner Freude bis an die Spitze des Baumes. In der folgenden Nacht kamen weit mehr Mäuse und am Sonntage sogar zwei Ratten, aber die meinten, die Geschichte sei nicht hübsch, und das betrübte die kleinen Mäuse, denn nun hielten sie auch weniger davon.
„Wissen Sie nur die eine Geschichte?“ fragten die Ratten.
„Nur die eine“, antwortete der Baum; „die hörte ich an meinem glücklichsten Abend, aber damals dachte ich nicht daran, wie glücklich ich war.“
„Das ist eine höchst jämmerliche Geschichte! Kennen Sie keine von Speck und Talglicht? Keine Speisekammergeschichte?“
„Nein!“ sagte der Baum.“ – „Ja, dann danken wir dafür!“ erwiderten die Ratten und gingen zu den Ihrigen zurück.
Die kleinen Mäuse blieben zuletzt auch weg, und da seufzte der Baum: „Es war doch ganz hübsch, als sie um mich herumsaßen, die beweglichen kleinen Mäuse, und zuhörten, wie ich erzählte! Nun ist auch das vorbei! Aber ich werde gerne daran denken, wenn ich wieder hervorgenommen werde.“
Aber wann geschah das? Ja, es war eines Morgens, da kamen Leute und wirtschafteten auf dem Boden; die Kasten wurden weggesetzt, der Baum wurde hervorgezogen; sie warfen ihn freilich ziemlich hart gegen den Fußboden, aber ein Diener schleppte ihn gleich nach der Treppe hin, wo der Tag leuchtete.
„Nun beginnt das Leben wieder!“ dachte der Baum; er fühlte die frische Luft, die ersten Sonnenstrahlen, und nun war er draußen im Hofe. Alles ging geschwind, der Baum vergaß völlig, sich selbst zu betrachten, da war so vieles ringsumher zu sehen. Der Hof stieß an einen Garten, und alles blühte darin; die Rosen hingen frisch und duftend über das kleine Gitter hinaus, die Lindenbäume blühten, und die Schwalben flogen umher und sagten: „Quirrevirrevit, mein Mann ist kommen!“ Aber es war nicht der Tannenbaum, den sie meinten.
„Nun werde ich leben!“ jubelte der und breitete seine Zweige weit aus; aber ach, die waren alle vertrocknet und gelb; und er lag da zwischen Unkraut und Nesseln. Der Stern von Goldpapier saß noch oben in der Spitze und glänzte im hellen Sonnenschein.
Im Hofe selbst spielten ein paar der munteren Kinder, die zur Weihnachtszeit den Baum umtanzt hatten und so froh über ihn gewesen waren. Eins der kleinsten lief hin und riß den Goldstern ab.
„Sieh, was da noch an dem häßlichen, alten Tannenbaum sitzt!“ sagte es und trat auf die Zweige, so daß sie unter seinen Stiefeln knackten.
Der Baum sah auf all die Blumenpracht und Frische im Garten, er betrachtete sich selbst und wünschte, daß er in seinem dunklen Winkel auf dem Boden geblieben wäre; er gedachte seiner frischen Jugend im Walde, des lustigen Weihnachtsabends und der kleinen Mäuse, die so munter die Geschichte von Klumpe- Dumpe angehört hatten. „Vorbei, vorbei!“ sagte der arme Baum. „Hätte ich mich doch gefreut, als ich es noch konnte! Vorbei, vorbei!“
Der Diener kam und hieb den Baum in kleine Stücke, ein ganzes Bund lag da; hell flackerte es auf unter dem großen Braukessel. Der Baum seufzte tief, und jeder Seufzer war einem kleinen Schusse gleich; deshalb liefen die Kinder, die da spielten, herbei und setzten sich vor das Feuer, blickten hinein und riefen: „Piff, paff!“ Aber bei jedem Knalle, der ein tiefer Seufzer war, dachte der Baum an einen Sommerabend im Walde oder an eine Winternacht da draußen, wenn die Sterne funkelten; er dachte an den Weihnachtsabend und an Klumpe-Dumpe, das einzige Märchen, das er gehört hatte und zu erzählen wußte – und dann war der Baum verbrannt.
Die Knaben spielten im Garten, und der kleinste hatte den Goldstern auf der Brust, den der Baum an seinem glücklichsten Abend getragen hatte. Nun war der vorbei, und mit dem Baum war es vorbei und mit der Geschichte auch; vorbei, vorbei.
Und so geht es mit allen Geschichten.

Der Tannenbaum Teil II
von Hans Christian Andersen
„Oh“ dachte der Baum, „wäre es doch Abend! Würden nur die Lichter bald angezündet! Und was dann wohl geschieht? Ob da wohl Bäume aus dem Walde kommen, mich zu sehen? Ob die Meisen gegen die Fensterscheiben fliegen? Ob ich hier festwachse und Winter und Sommer geschmückt stehen werde?“
Ja, er wußte gut Bescheid; aber er hatte ordentlich Borkenschmerzen vor lauter Sehnsucht, und Borkenschmerzen sind für einen Baum ebenso schlimm wie Kopfschmerzen für uns andere.
Nun wurden die Lichter angezündet. Welcher Glanz, welche Pracht! Der Baum bebte in allen Zweigen dabei, so daß eins der Lichter das Grüne anbrannte; es sengte ordentlich.
„Gott bewahre uns!“ schrien die Fräulein und löschten es hastig aus.
Nun durfte der Baum nicht einmal beben. Oh, das war ein Grauen! Ihm war bange, etwas von seinem Staate zu verlieren; er war ganz betäubt von all dem Glanze. Da gingen beide Flügeltüren auf, und eine Menge Kinder stürzte herein, als wollten sie den ganzen Baum umwerfen, die älteren Leute kamen bedächtig nach; die Kleinen standen ganz stumm, aber nur einen Augenblick, dann jubelten sie wieder, daß es laut schallte; sie tanzten um den Baum herum, und ein Geschenk nach dem andern wurde abgepflückt und verteilt.
„Was machen sie?“ dachte der Baum. Was soll geschehen?“ Die Lichter brannten gerade bis auf die Zweige herunter, und je nachdem sie niederbrannten, wurden sie ausgelöscht, und dann erhielten die Kinder die Erlaubnis, den Baum zu plündern. Sie stürzten auf ihn zu, daß es in allen Zweigen knackte; wäre er nicht mit der Spitze und mit dem Goldstern an der Decke festgemacht gewesen, so wäre er umgefallen.
Die Kinder tanzten mit ihrem prächtigen Spielzeug herum, niemand sah nach dem Baume, ausgenommen das alte Kindermädchen, das zwischen die Zweige blickte; aber es geschah nur, um zu sehen, ob nicht noch eine Feige oder ein Apfel vergessen sei.
„Eine Geschichte, eine Geschichte!“ riefen die Kinder und zogen einen kleinen, dicken Mann gegen den Baum hin, und er setzte sich gerade unter ihn, „denn so sind wir im Grünen“, sagte er, „und der Baum kann besonders Nutzen davon haben, zuzuhören! Aber ich erzähle nur eine Geschichte. Wollt ihr die von Ivede- Avede oder die von Klumpe-Dumpe hören, der die Treppen hinunterfiel und doch erhöht wurde und die Prinzessin bekam?“
„lvede-Avede!“ schrien einige, „Klumpe-Dumpe!“ schrien andere. Das war ein Rufen! Nur der Tannenbaum schwieg ganz still und dachte: Komme ich gar nicht mit, werde ich nichts dabei zu tun haben?“ Er hatte ja geleistet, was er sollte.
Der Mann erzählte von Klumpe-Dumpe, der die Treppen hinunterfiel und doch erhöht wurde und die Prinzessin bekam. Und die Kinder klatschten in die Hände und riefen: „Erzähle, erzähle!“ Sie wollten auch die Geschichte von Ivede-Avede hören, aber sie bekamen nur die von Klumpe-Dumpe. Der Tannenbaum stand ganz stumm und gedankenvoll, nie hatten die Vögel im Walde dergleichen erzählt. Klumpe-Dumpe fiel die Treppen hinunter und bekam doch die Prinzessin! Ja, ja, so geht es in der Welt zu!“ dachte der Tannenbaum und glaubte, daß es wahr sei, weil ein so netter Mann es erzählt hatte. „Ja, ja! Vielleicht falle ich auch die Treppe hinunter und bekomme eine Prinzessin!“ Und er freute sich, den nächsten Tag wieder mit Lichtern und Spielzeug, Gold und Früchten und dem Stern von Flittergold aufgeputzt zu werden. „Morgen werde ich nicht zittern!“ dachte er. ich will mich recht aller meiner Herrlichkeit freuen. Morgen werde ich wieder die Geschichte von Klumpe-Dumpe und vielleicht auch die von Ivede-Avede hören.“ Und der Baum stand die ganze Nacht still und gedankenvoll.
Am Morgen kamen die Diener und das Mädchen herein.
„Nun beginnt der Staat aufs neue!“ dachte der Baum; aber sie schleppten ihn zum Zimmer hinaus, die Treppe hinauf, auf den Boden und stellten ihn in einen dunklen Winkel, wohin kein Tageslicht schien. „Was soll das bedeuten?“ dachte der Baum. „Was soll ich hier wohl machen? Was mag ich hier wohl hören sollen?“ Er lehnte sich gegen die Mauer und dachte und dachte. Und er hatte Zeit genug, denn es vergingen Tage und Nächte; niemand kam herauf, und als endlich jemand kam, so geschah es, um einige große Kasten in den Winkel zu stellen; der Baum stand ganz versteckt, man mußte glauben, daß er ganz vergessen war.
Der Tannenbaum Teil I
von Hans Christian Andersen
Draußen im Walde stand ein niedlicher, kleiner Tannenbaum; er hatte einen guten Platz, Sonne konnte er bekommen, Luft war genug da, und ringsumher wuchsen viel größere Kameraden, sowohl Tannen als Fichten. Aber dem kleinen Tannenbaum schien nichts so wichtig wie das Wachsen; er achtete nicht der warmen Sonne und der frischen Luft, er kümmerte sich nicht um die Bauernkinder, die da gingen und plauderten, wenn sie herausgekommen waren, um Erdbeeren und Himbeeren zu sammeln. Oft kamen sie mit einem ganzen Topf voll oder hatten Erdbeeren auf einen Strohhalm gezogen, dann setzten sie sich neben den kleinen Tannenbaum und sagten: „Wie niedlich klein ist der!“ Das mochte der Baum gar nicht hören.
Im folgenden Jahre war er ein langes Glied größer, und das Jahr darauf war er um noch eins länger, denn bei den Tannenbäumen kann man immer an den vielen Gliedern, die sie haben, sehen, wie viele Jahre sie gewachsen sind.
„Oh, wäre ich doch so ein großer Baum wie die anderen!“ seufzte das kleine Bäumchen. „Dann könnte ich meine Zweige so weit umher ausbreiten und mit der Krone in die Welt hinausblicken! Die Vögel würden dann Nester zwischen meinen Zweigen bauen, und wenn der Wind weht, könnte ich so vornehm nicken, gerade wie die andern dort!“
Er hatte gar keine Freude am Sonnenschein, an den Vögeln und den roten Wolken, die morgens und abends über ihn hinsegelten.
War es nun Winter und der Schnee lag ringsumher funkelnd weiß, so kam häufig ein Hase angesprungen und setzte gerade über den kleinen Baum weg. Oh, das war ärgerlich! Aber zwei Winter vergingen, und im dritten war das Bäumchen so groß, daß der Hase um es herumlaufen mußte. „Oh, wachsen, wachsen, groß und alt werden, das ist doch das einzige Schöne in dieser Welt!“ dachte der Baum.
Im Herbst kamen immer Holzhauer und fällten einige der größten Bäume; das geschah jedes Jahr, und dem jungen Tannenbaum, der nun ganz gut gewachsen war, schauderte dabei; denn die großen, prächtigen Bäume fielen mit Knacken und Krachen zur Erde, die Zweige wurden abgehauen, die Bäume sahen ganz nackt, lang und schmal aus; sie waren fast nicht zu erkennen. Aber dann wurden sie auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie davon, aus dem Walde hinaus.
Wohin sollten sie? Was stand ihnen bevor?
Im Frühjahr, als die Schwalben und Störche kamen, fragte sie der Baum: „Wißt ihr nicht, wohin sie geführt wurden? Seid ihr ihnen begegnet?“
Die Schwalben wußten nichts, aber der Storch sah nachdenkend aus, nickte mit dem Kopfe und sagte: „Ja, ich glaube wohl; mir begegneten viele neue Schiffe, als ich aus Ägypten flog; auf den Schiffen waren prächtige Mastbäume; ich darf annehmen, daß sie es waren, sie hatten Tannengeruch; ich kann vielmals von ihnen grüßen, sie sind schön und stolz!“ „Oh, wäre ich doch auch groß genug, um über das Meer hinfahren zu können! Was ist das eigentlich, dieses Meer, und wie sieht es aus?“
„Ja, das ist viel zu weitläufig zu erklären!“ sagte der Storch, und damit ging er.
„Freue dich deiner Jugend!“ sagten die Sonnenstrahlen; „freue dich deines frischen Wachstums, des jungen Lebens, das in dir ist!“
Und der Wind küsste den Baum, und der Tau weinte Tränen über ihn, aber das verstand der Tannenbaum nicht. Wenn es gegen die Weihnachtszeit war, wurden ganz junge Bäume gefällt, Bäume, die oft nicht einmal so groß oder gleichen Alters mit diesem Tannenbaume waren, der weder Rast noch Ruhe hatte, sondern immer davon wollte; diese jungen Bäume, und es waren gerade die allerschönsten, behielten immer alle ihre Zweige; sie wurden auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie zum Walde hinaus.
„Wohin sollen diese?“ fragte der Tannenbaum. „Sie sind nicht größer als ich, einer ist sogar viel kleiner; weswegen behalten sie alle ihre Zweige? Wohin fahren sie?“
„Das wissen wir! Das wissen wir!“ zwitscherten die Meisen. „Unten in der Stadt haben wir in die Fenster gesehen! Wir wissen, wohin sie fahren! Oh, sie gelangen zur größten Pracht und Herrlichkeit, die man sich denken kann! Wir haben in die Fenster gesehen und erblickt, daß sie mitten in der warmen Stube aufgepflanzt und mit den schönsten Sachen, vergoldeten Äpfeln, Honigkuchen, Spielzeug, und vielen hundert Lichtern geschmückt werden.“
Und dann?“ fragte der Tannenbaum und bebte in allen Zweigen. „Und dann? Was geschieht dann?“ „Ja, mehr haben wir nicht gesehen! Das war unvergleichlich schön!“ „Ob ich wohl bestimmt bin, diesen strahlenden Weg zu betreten?“ jubelte der Tannenbaum. Das ist noch besser als über das Meer zu ziehen! Wie leide ich an Sehnsucht! Wäre es doch Weihnachten! Nun bin ich hoch und entfaltet wie die andern, die im vorigen Jahre davongeführt wurden! Oh, wäre ich erst auf dem Wagen, wäre ich doch in der warmen Stube mit all der Pracht und Herrlichkeit! Und dann? ja, dann kommt noch etwas Besseres, noch Schöneres, warum würden sie mich sonst so schmücken? Es muß noch etwas Größeres, Herrlicheres kommen! Aber was?
Oh, ich leide, ich sehne mich, ich weiß selbst nicht, wie mir ist!“ „Freue dich unser!“ sagten die Luft und das Sonnenlicht; „freue dich deiner frischen Jugend im Freien!“ Aber er freute sich durchaus nicht; er wuchs und wuchs, Winter und Sommer stand er grün; dunkelgrün stand er da, die Leute, die ihn sahen, sagten: „Das ist ein schöner Baum!“ und zur Weihnachtszeit wurde er von allen zuerst gefällt. Die Axt hieb tief durch das Mark; der Baum fiel mit einem Seufzer zu Boden, er fühlte einen Schmerz, eine Ohnmacht, er konnte gar nicht an irgendein Glück denken, er war betrübt, von der Heimat scheiden zu müssen, von dem Flecke, auf dem er empor geschossen war; er wußte ja, daß er die lieben, alten Kameraden, die kleinen Büsche und Blumen ringsumher nie mehr sehen werde, ja vielleicht nicht einmal die Vögel.
Die Abreise hatte durchaus nichts Behagliches. Der Baum kam erst wieder zu sich selbst, als er im Hofe mit andern Bäumen abgeladen wurde und einen Mann sagen hörte: „Dieser hier ist prächtig! Wir wollen nur den!“ Nun kamen zwei Diener im vollen Staat und trugen den Tannenbaum in einen großen, schönen Saal. Ringsherum an den Wänden hingen Bilder, und bei dem großen Kachelofen standen große chinesische Vasen mit Löwen auf den Deckeln; da waren Wiegestühle, seidene Sofas, große Tische voll von Bilderbüchern und Spielzeug für hundertmal hundert Taler; wenigstens sagten das die Kinder. Der Tannenbaum wurde in ein großes, mit Sand gefälltes Faß gestellt, aber niemand konnte sehen, daß es ein Faß war, denn es wurde rundherum mit grünem Zeug behängt und stand auf einem großen, bunten Teppich. oh, wie der Baum bebte! Was würde da wohl vorgehen? Sowohl die Diener als die Fräulein schmückten ihn. An einen Zweig hängten sie kleine, aus farbigem Papier ausgeschnittene Netze, und jedes Netz war mit Zuckerwerk gefüllt. Vergoldete Apfel und Walnüsse hingen herab, als wären sie festgewachsen, und über hundert rote, blaue und weiße kleine Lichter wurden in den Zweigen festgesteckt. Puppen, die leibhaft wie die Menschen aussahen – der Baum hatte früher nie solche gesehen -, schwebten im Grünen, und hoch oben in der Spitze wurde ein Stern von Flittergold befestigt. Das war prächtig, ganz außerordentlich prächtig! „Heute abend“, sagten alle, „heute abend wird er strahlen!“ und sie waren außer sich vor Freude.
Alle Jahre wieder weils so schön ist an Nikolaus. Der Knecht Ruprecht hat ja hier in Franken seine Entsprechung als Pelzmärtel der allerdings schon am 11.11. die Kinder beschert.

Knecht Ruprecht
Theodor Storm
Ruprecht:
Habt guten Abend, alt und jung,
Bin allen wohl bekannt genung.
Von drauß‘ vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkind hervor;
Und wie ich so strolcht‘ durch den finstern Tann,
Da rief’s mich mit heller Stimme an:
»Knecht Ruprecht«, rief es, »alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alt‘ und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!«
Ich sprach: »O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo’s eitel gute Kinder hat.«
– »Hast denn das Säcklein auch bei dir?«
Ich sprach: »Das Säcklein, das ist hier:
Denn Äpfel, Nuß und Mandelkern
Essen fromme Kinder gern.«
– »Hast denn die Rute auch bei dir?«
Ich sprach: »Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten.«
Christkindlein sprach: »So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!«
Von drauß‘ vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun sprecht, wie ich’s hierinnen find!
Sind’s gute Kind, sind’s böse Kind?
Vater:
Die Kinder sind wohl alle gut,
Haben nur mitunter was trotzigen Mut.
Ruprecht:
Ei, ei, für trotzgen Kindermut
Ist meine lange Rute gut!
Heißt es bei euch denn nicht mitunter:
Nieder den Kopf und die Hosen herunter?
Vater:
Wie einer sündigt, so wird er gestraft;
Die Kinder sind schon alle brav.
Ruprecht:
Stecken sie die Nas auch tüchtig ins Buch,
Lesen und schreiben und rechnen genug?
Vater:
Sie lernen mit ihrer kleinen Kraft,
Wir hoffen zu Gott, daß es endlich schafft.
Ruprecht:
Beten sie denn nach altem Brauch
Im Bett ihr Abendsprüchlein auch?
Vater:
Neulich hört ich im Kämmerlein
Eine kleine Stimme sprechen allein;
Und als ich an die Tür getreten,
Für alle Lieben hört ich sie beten.
Ruprecht:
So nehmet denn Christkindleins Gruß,
Kuchen und Äpfel, Äpfel und Nuß;
Probiert einmal von seinen Gaben,
Morgen sollt ihr was Besseres haben.
Dann kommt mit seinem Kerzenschein
Christkindlein selber zu euch herein.
Heut hält es noch am Himmel Wacht;
Nun schlafet sanft, habt gute Nacht.

Ich wünsche allen einen schönen und gesegneten 2 . Advent

Da ich gerade am Plätzchenbacken bin:
Der Weihnachtsteller
Barbara Pronnet
Als ich zusammen mit meinen gleichaussehenden Kollegen in den bunten Weihnachtsteller gelegt wurde, war mir schnell klar, jetzt heißt es warten und reifen bis zum Fest. Ich roch herrlich nach Butter und Rum und meine Zuckerglasur stand mir besonders gut. „He“ rief ein dicker Marzipankartoffel neben mir „mach dich nicht so breit.“ „Du mußt reden“, beschwerte sich eine herrlich aussehende Kokosmakrone rechts von mir, „du machst dich doch breit wie ein fetter Christstollen“. Sie lächelte mir freundlich zu und ich strahlte zurück. Was wäre wohl, träumte ich, wenn wir unsere Zutaten zusammenmischten? Es käme bestimmt etwas besonders süßes heraus.
Ich sah mich um. Ein bischen eng wars schon auf diesem bunten Teller, aber die Farbenpracht und der Geruch waren einmalig. Ich freute mich schon auf den großen Tag. Wenn eine kleine Kinderhand nach mir greift und mich genußvoll verschlang. Das ist eben für uns Plätzchen die Krönung. Meine nette Kokosmakrone neben mir war eingeschlafen. Ihr zarter Duft machte mich ganz schwindelig.
„Bist du neu hier“? Ich äugte nach links oben von wo diese tiefe Stimme kam und schaute auf den wohl bestgelungensten Gewürzlebkuchen aller Zeiten. Er trotze nur so vor Korinten, Rosinen und Schokostückchen.
„Ja, ich bin noch ganz warm“ sagte ich. „Du siehst sehr appetitlich aus, so rund und saftig“ lobte er mich. „Danke, aber nichts gegen dich. Du bist fantastsich.“ Der Lebkuchen räkelte sich richtig unter meinem Kompliment. „Stimmt ich bin wirklich gut gelungen. Die Hausherrin probierte ein neues Rezept. Sie hat sich sehr viel Mühe gegeben“. „Ach Papperlapapp“ schimpfte der dicke Marzipankartoffel auf ein Neues, „Ihr mit eurem Geschwätz. Spätestens bis zum 2. Weihnachtsfeiertag werdet ihr einfach in volle Bäuche gestopft und keiner wird sich mehr an eure Aussehen erinnern, oder an eurem Geruch. Ihr seid eingebildete Narren.“ „Vielleicht hast Du recht“, pflichtete ich ihm bei, „aber unsere Aufgabe ist es nun mal gut auszusehen und zu schmecken.“ „Wenn du so weiter meckerst“, lachte ein Butterplätzchen schräg oben von uns, „wird dich keiner mehr vernaschen, weil du nämlich bis dahin sauer geworden bist.“ Wir lachten alle schallend und der Marzipankartoffel wurde ganz dunkelbraun vor Wut. Meine süße Kokosmakrone war aufgewacht und hatte uns eine Weile wortlos zugehört. „Versteht Ihr denn den Sinn dieses Festes überhaupt nicht? Es geht doch nicht darum, wer am besten gelungen ist , die schönste Farbe hat und am leckersten schmeckt. Oder wer den besten Platz im runden Teller hat. Wichtig ist nur, daß wir alle wie wir hier liegen, Freude bereiten und dazubeitragen, daß es ein gelungenens und frohes Fest wird.
Und wenn wir uns bis dahin alle vertragen werden sich unsere Aromen vermischen und wir alle werden unvergesslich schmecken. „
Es wurde sehr still im buntgemischten Weihnachtsteller. Der Marzipankartoffel rutschte noch ein bischen weiter nach unten, aber er sagte nichts mehr. Die anderen nickten zustimmend.
Ich schaute stolz auf meine kleine Kokosmakrone,denn was sie gerade sagte ist das beste Rezept was je geschrieben wurde.

Begegnung auf dem Weihnachtsmarkt
© Elke Bräunling
Tim und Papa wollen heute auf dem Weihnachtsmarkt einen Christbaum kaufen. Während Papa prüfend einen Baum nach dem anderen in die Hand nimmt, geht Tim auf Entdeckungsreise. Vom Karussell her klingt das Lied vom Tannenbaum zu ihnen herüber. „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter…“, singt auch Tim, während er zwischen den Weihnachtsbäumen, die mit einer zarten Raureifschicht geschmückt sind, herumschlendert. „Oh Weihnachtsbaum, oh Weihnachtstraum, im Wald war es viel netter…“, singt es da plötzlich von einer kleinen Tanne, dann fiept eine dünne Stimme: „Jajaja. Netter! Im Wald war es viel netter. Jaja.“ Die Tanne schüttelt sich, und kleine Raureifsternchen schweben auf Tims Kopf. Tim schaut sich verwundert um. Wer hat da gesungen? Er kann niemanden sehen. Hier gibt es nur Tannen: große und kleine, breite und schmale, dicke und dünne, gerade gewachsene und krumme. „Komisch“, murmelt Tim. „Sie können sprechen, die Tannen, und singen. Wirklich komisch.“ „Singen, sprechen, lachen, weinen, das kann eine Tanne nicht. Sieh dich um, rundumherum, und dann weißt du, wer hier spricht!“, singt da die Stimme wieder. „Wo bist du?“, ruft Tim läuft um die Tanne herum. Und da, auf einmal, sieht er die kleine rote Christbaumkugel. „Du bist das?“ Die Christbaumkugel schaukelt am Tannenzweig hin und her und fiept: „Ich bin´s, jaja. Sprechen kann ich und noch mehr.“ „Was denn?“, will Tim fragen, doch da fängt die Christbaumkugel wieder an zu singen. Sie singt und singt, ihre Stimme wird immer heller, und auf einmal ist sie nicht mehr rot. Glashell blinkert sie und so durchsichtig, dass Tim in sie hineinsehen kann. „Toll“, ruft er, „da ist ja ein kleiner Weihnachtsbaum in der Kugel!“ Überrascht betrachtet Tim den kleinen Weihnachtsbaum im Inneren der Christbaumkugel. Hübsch ist er mit Strohsternen, Äpfeln und roten Kerzen. „Hallo“, sagt der Weihnachtsbaum und verbeugt sich. „Gefalle ich dir? Kinder haben mich geschmückt. Sehr gefreut haben sie sich. Wegen mir. Und weil bald Heiligabend ist.“ Er winkt mit seinen Zweigen und verschwindet. Eine hohe Tanne erscheint nun in der Glaskugel. Sie steht auf einem Marktplatz und ist über und über mit Lichtern geschmückt. Die strahlen so hell, dass der Platz festlich erleuchtet ist. „Über mich“, erzählt die Lichtertanne stolz, „freuen sich viele Menschen. Jeder, der hier vorbeikommt, bleibt eine Weile bei mir stehen. Vor allem die Kinder. Das ist schön.“ Die Lichtertanne blinkt zum Abschied hell auf, und weg ist sie. Ein mit Lametta, pinkfarbenen Kugeln und Perlenketten verzierter Baum stellt sich nun vor. Ihm folgen viele andere Weihnachtsbäume, und jeder erzählt seine Geschichte. Es sind unterschiedliche Geschichten: lustige und spannende ,feierliche und fremdartige, fröhliche und auch traurige. Tim sieht nämlich auch Bäume, die gar nicht weihnachtlich aussehen. Vergessen und verdorrt liegen sie in dunklen Ecken. Hier und da blitzt noch ein Silberfaden oder ein Strohstern zwischen vertrockneten Zweigen hervor. „Zu dumm, dass niemand mehr die Bäume nach Weihnachten gebrauchen kann und dass sie sterben müssen“, brummt Tim. „Recht, recht“, sagt die kleine Glaskugel, die nun wieder in ihrer roten Farbe leuchtet. Sie schaukelt am Tannenast sacht hin und her und singt von neuem: „O Tannenbaum, o Tannentraum, erhaltet unsre Blätter, ein Baum will leben allezeit, nicht nur so kurz zur Weihnachtszeit. O Tannenbaum, o Tannentraum, grün bleiben unsre Blätter…“ „Du hast Recht, kleine Christbaumkugel“, ruft Tim wie erwachend. „Das werd´ ich gleich Papa sagen. Einen Baum mit Wurzeln soll er kaufen! Den können wir nach Weihnachten im Garten einpflanzen.“ Er will der Kugel zum Abschied zuwinken, doch die ist verschwunden. so sehr Tim auch schaut. „Schade“, murmelt er. „Und auch komisch, oder?“ Tim schüttelt sich wie nach einem Traum und läuft zu Papa hinüber.
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.