Knecht Rupprecht – 6. Dezember

Alle Jahre wieder weils so schön ist an Nikolaus. Der Knecht Ruprecht hat ja hier in Franken seine Entsprechung als Pelzmärtel der allerdings schon am 11.11. die Kinder beschert.


Weihnachtsmotive 071wz

Knecht Ruprecht
Theodor Storm

Ruprecht:

Habt guten Abend, alt und jung,
Bin allen wohl bekannt genung.

Von drauß‘ vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkind hervor;
Und wie ich so strolcht‘ durch den finstern Tann,
Da rief’s mich mit heller Stimme an:
»Knecht Ruprecht«, rief es, »alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alt‘ und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!«
Ich sprach: »O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo’s eitel gute Kinder hat.«
– »Hast denn das Säcklein auch bei dir?«
Ich sprach: »Das Säcklein, das ist hier:
Denn Äpfel, Nuß und Mandelkern
Essen fromme Kinder gern.«
– »Hast denn die Rute auch bei dir?«
Ich sprach: »Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten.«
Christkindlein sprach: »So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!«

Von drauß‘ vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun sprecht, wie ich’s hierinnen find!
Sind’s gute Kind, sind’s böse Kind?

Vater:

Die Kinder sind wohl alle gut,
Haben nur mitunter was trotzigen Mut.

Ruprecht:

Ei, ei, für trotzgen Kindermut
Ist meine lange Rute gut!
Heißt es bei euch denn nicht mitunter:
Nieder den Kopf und die Hosen herunter?

Vater:

Wie einer sündigt, so wird er gestraft;
Die Kinder sind schon alle brav.

Ruprecht:

Stecken sie die Nas auch tüchtig ins Buch,
Lesen und schreiben und rechnen genug?

Vater:

Sie lernen mit ihrer kleinen Kraft,
Wir hoffen zu Gott, daß es endlich schafft.

Ruprecht:

Beten sie denn nach altem Brauch
Im Bett ihr Abendsprüchlein auch?

Vater:

Neulich hört ich im Kämmerlein
Eine kleine Stimme sprechen allein;
Und als ich an die Tür getreten,
Für alle Lieben hört ich sie beten.

Ruprecht:

So nehmet denn Christkindleins Gruß,
Kuchen und Äpfel, Äpfel und Nuß;
Probiert einmal von seinen Gaben,
Morgen sollt ihr was Besseres haben.
Dann kommt mit seinem Kerzenschein
Christkindlein selber zu euch herein.
Heut hält es noch am Himmel Wacht;
Nun schlafet sanft, habt gute Nacht.

Internetsilvester – 31. Dezember

Ich wünsche allen einen guten Rutsch in ein Jahr voller Zufriedenheit und Glück.

Internet-Silvester

Pia und Pit sind stinksauer. Heute ist Silvester, und alle feiern große Feste oder haben sich sonst irgendetwas Aufregendes einfallen lassen. Nur sie sitzen mit Opa alleine zu Hause. Tante Marie hat nämlich heute Morgen ein Baby bekommen, und Mama und Papa sind gleich zu ihr gefahren um zu gratulieren.

Pia und Pit würden am liebsten weinen. Vor Wut aber!

“So´n Quatsch”, mault Pia. “Hauptsache, das Baby ist da!”

“Und es ist gesund”, sagt Opa.

“Silvester”, schimpft Pit, “verpennt es sowieso. Was aber wird aus uns?”

Die beiden sind enttäuscht. Tolle Pläne hatten sie für diesen letzten Tag im Jahr gemacht. Zuerst wollten sie mit Papa Feuerwerk kaufen und den Partykeller schmücken, und am Abend wären Freunde zum Feiern gekommen. Nun aber ist alles abgesagt, und Pia und Pit müssen mit Opa alleine feiern. Nicht einmal Feuerwerk haben sie. Opa mag das nämlich nicht leiden, weil es ihn an den Krieg erinnert und weil es die Tiere erschreckt. Naja, verstehen können Pia und Pit Opas Meinung, aber an Silvester muss man doch auch mal eine Ausnahme machen können, oder?

“Blöd”, brummt Pia. “Alle feiern. Nur wir langweilen uns zu Tode!” “Total alleine sitzen wir hier rum. Gemein!“, sagt Pit düster.

Alleine? Und ich?”, fragt Opa gekränkt. “Bin ich niemand? Wir können doch auch anders aufregend das neue Jahr feiern. Und zwar ganz woanders.“

“Wie das denn?”, fragt Pia.

Opa grinst. “Ich habe eine Idee! Holt mal euren Atlas!”

Und während Pit brummelnd auf Atlassuche geht, schaltet Opa den Computer ein. “Im Internet”, sagt er und grinst noch mehr, “finden wir nämlich auch all die Orte, an denen es gerade Null Uhr ist und das neue Jahr beginnt.”

Ehe sich Pia und Pit versehen, hackt Opa auf die Computertasten ein und surft mit der Maus -klick,klick,klick-auf dem Bildschirm herum. Ein Bild erscheint. Es ist eine Insel. “Das ist ein Webcam-Bild von den Virgin Islands”, erklärt Opa stolz. “Es zeigt euch, wie es jetzt gerade dort aussieht. Und seht ihr die Uhr am oberen Bildrand? 23.40 Uhr ist es. In zwanzig Minuten beginnt dort das neue Jahr, denn es ist die östlichste Insel der Welt, und dort beginnt der neue Tag und damit das neue Jahr am frühesten. Später reisen wir dann nach Neuseeland weiter und dann schauen wir mal, wie die Menschen in Sydney feiern, und dann…”

Pia und Pit vergessen, vor lauter Staunen den Mund zu schließen. Woher wusste Opa das nur alles? Noch ehe sie fragen können, ruft Opa:

“Beeilt euch, gleich können wir das neue Jahrtausend auf den Virgin Islands begrüßen.”

“Das ist ja super!”, ruft Pia. “Dann feiern wir den ganzen Tag nun Silvester!”

“Stimmt”, sagt Opa und lächelt. “Wir sitzen gemütlich zu Hause und betrachten uns die echten Bilder im Internet.” Er grinst wieder und greift zum Telefon. “Und damit wir nicht vor lauter Feiern verhungern, bestellen wir uns die größte Pizza unseres Lebens, einverstanden?”

“Einverstanden!”, rufen Pia und Pit. Sie sind jetzt gar nicht mehr traurig, dass die Fete im Keller ausgefallen ist. Wie auch bei sooo einem tollen Opa!?

© Elke Bräunling

Das Weihnachtsmärchen und die Märchenfee – 30. Dezember


Das Weihnachtsmärchen und die Märchenfee

Einmal wollte ein Märchen ein ganz besonderes Märchen sein, das die Menschen ins Weihnachtsland zu verzaubern vermochte.

„Mach aus mir ein Weihnachtszaubermärchen!“, bat es die Märchenfee in den Tagen vor Weihnachten.

„Das ist ein außergewöhnlicher Wunsch“, staunte die Fee.

„Stimmt“, sagte das Märchen. „Ich möchte den Menschen eine Freude
bringen, die man nicht kaufen und in bunte Päckchen packen kann.“

Die Märchenfee seufzte. „So ein Märchen gibt es nicht. Oder glaubst du an Märchen?“

Das Märchen nickte. „Ich bin doch selber eins!“

„Du bist hartnäckig. Ich werde darüber nachdenken.“

Die Märchenfee grübelte lange. Dann hatte sie eine Idee.

„Du wirst zur Weihnachtszeit im Traum zu den Menschen kommen. Ein Traumzaubermärchen wirst du sein.“

Das Märchen machte einen Freudenluftsprung.

„Ein Traumzauberweihnachtsmärchen. Wie schön.“ Es war glücklich. „Jetzt
bin ich das schönste Märchen auf der Welt und alle werden mich lieb
haben.“

Und so war es auch. Das Traumzauberweihnachtsmärchen wurde zum
Lieblingsmärchen der Menschen. Ganz besonders der Kinder. Es war
überall, wenn man es auch nicht im Fernseher und nicht auf CDs hören
konnte. Aber es war da, in den Herzen der Menschen, und es schenkte
ihnen in der Weihnachtszeit wunderschöne Träume.

Du kennst es noch nicht? Warte! Bestimmt kommt es auch noch zu dir. Du
kannst es weder sehen noch hören, doch es ist da, in der
Weihnachtszeit, wenn alles ganz still ist. Psst! Fühlst du es?

© Elke Bräunling

3 Wünsche – 29. Dezember

3 Wünsche

Walter Baudec

Ein kleiner Junge besuchte seinen Großvater und sah ihm zu, wie er die Krippenfiguren schnitzte. Der Junge schaute sie sich ganz intensiv an , und sie fingen an, für ihn zu leben. Da schaute er das Kind an – und das Kind schaute ihn an. Plötzlich bekam er einen Schrecken , und die Tränen traten ihm in die Augen. „Warum weinst du denn?“ fragte das Jesuskind. „Weil ich dir nichts mitgebracht habe“, sagte der Junge. „Ich will aber gerne etwas von dir haben“, entgegnete das Jesuskind. Da wurde der Kleine rot vor Freude. „Ich will dir alles schenken, was ich habe“, stammelte er . „Drei Sachen möchte ich von dir haben“, sagte das Jesuskind. Da fiel ihm der Kleine ins Wort: „Meinen neuen Mantel, meine elektrische Eisenbahn, mein schönes Buch …“?- Nein“, entgegnete das Jesuskind, „das alles brauche ich nicht. Schenk mir deinen letzten Aufsatz.“
Da erschrak der Kleine. „Jesus“, stotterte er ganz verlegen… und flüsterte: „Da hat doch der Lehrer ‚ungenügend darunter geschrieben“. „Eben deshalb will ich ihn haben“, antwortete das Jesuskind. „Aber, warum denn?“ fragte der Junge. „Du sollst mir immer das bringen, wo ‚ungenügend‘ darunter steht. Versprichst du mir das“?. „Sehr gern“ , antwortete der Junge. „Aber ich will noch ein zweites Geschenk von dir“, sagte das Jesuskind…, „deinen Milchbecher“. „Aber den habe ich doch heute zerbrochen“, entgegnete der Junge. „Du sollst mir immer das bringen, was du im Leben zerbrochen hast. Ich will es wieder heil machen. Gibst du mir das auch?“ „Das ist schwer“, sagte der Junge. „Hilfst du mir dabei?“ „Aber nun mein dritter Wunsch“, sagte das Jesuskind.
„Du sollst mir nun noch die Antwort bringen, die du der Mutter gegeben hast, als sie fragte, wie denn der Milchbecher kaputtgegangen ist“. Da legte der Kleine die Stirn auf die Kante und weinte so bitterlich: „Ich, ich, ich …“,brachte er unter Schluchzen mühsam heraus… „ich habe den Becher umgestoßen; in Wahrheit habe ich ihn absichtlich auf die Erde geworfen.“ „Ja, du sollst mir all deine Lügen, deinen Trotz, dein Böses, was du getan hast, bringen“, sagte das Jesuskind. „Und wenn du zu mir kommst, will ich dir helfen; ich will dich annehmen in deiner Schwäche; ich will dir immer neu vergeben; ich will dich an deiner Hand nehmen und dir den Weg zeigen. „Willst du dir das schenken lassen?“ Und der Junge schaute, hörte und staunte …. .

Die Puppe – 28. Dezember

Die Puppe
Autor unbekannt

„Ich habe gestern gebetet, dass ich genug Geld für eine Puppe für meine Schwester habe. Und ich hoffe auch, dass es für eine weisse Rose für meine Mutter reicht. Meine Mutter liebt weisse Rosen.“

Am Morgen des 24. Dezembers stresste ich durch die Geschäfte um noch die letzten Geschenke zu besorgen.

Als ich das Gewühl von Menschen sah, dachte ich, das wird wohl ewig dauern, bis ich hier alles besorgt habe und ich muss noch in andere Geschäfte? Weihnachten wird jedes Jahr mehr stressvoll. Ich wünsche, ich könnte einfach einschlafen und erst nach Weihnachten wieder aufwachen.

Trotz allem drängte ich mich zur Spielzeugabteilung durch. Dort habe ich mich dann über die enormen Preise der Spielsachen gewundert.

Auf der Suche nach einem geeigneten Spielzeug bemerkte ich einen etwa fünf Jahre alten Jungen, der eine Puppe gedankenverloren anschaute. Der Junge machte einen sehr traurigen Eindruck. Ich fragte mich, für wen er wohl die Puppe ausgesucht hatte. In diesem Moment drehte sich der kleine Junge zu einer älteren Dame um und fragte sie: „Oma, bist du sicher, dass ich nicht genug Geld habe?“

Die ältere Dame antwortete: „Mein Lieber, du weisst ganz genau, dass du nicht genug Geld hast um die Puppe zu kaufen.“ Danach bat sie ihn in der Spielzeugabteilung zu warten, bis sie ihre Einkäufe erledigt hat.

Der Junge hatte noch immer die Puppe gegen seine Brust gepresst. Ich lief zu ihm hin und fragte ihn, für wen er denn die hübsche Puppe ausgesucht hätte. „Es ist die Puppe, die sich meine Schwester zu Weihnachten gewünscht hat. Sie war überzeugt, dass der Weihnachtsmann ihr diese Puppe bringen würde.“

Ich versicherte ihm, dass der Weihnachtsmann bestimmt weiss, was sich seine Schwester zu Weihnachten wünscht. Und dass er sich darüber keine Sorgen machen sollte. Doch der Junge antwortete traurig: „Der Weihnachtsmann kann ihr die Puppe nicht dorthin bringen, wo sie sich befindet. Ich muss die Puppe meiner Mutter geben und sie kann sie mitnehmen, wenn sie geht.

Seine Augen waren mit Tränen gefüllt, als er das sagte.

„Meine Schwester ist im Himmel. Mein Vater sagt, dass meine Mutter auch bald in den Himmel geht. Deswegen dachte ich mir, dass sie die Puppe für meine Schwester mitnehmen kann.“

Als ich dem Jungen zuhörte, habe ich meinen Weihnachtsstress ganz vergessen.

Der Junge fuhr fort: „Ich sagte meinem Vater, er soll meiner Mutter ausrichten, dass sie noch warten soll um in den Himmel zu gehen, bis ich aus dem Laden zurück bin.“

Dann zeigte mir der Junge ein Foto von ihm, auf dem er ein unbekümmertes, fröhliches Gesicht hat. „Ich möchte, dass meine Mutter dieses Bild mitnimmt, damit sie mich nicht vergisst. Ich liebe meine Mutter sehr und ich möchte, dass sie bei uns bleibt. Doch mein Vater sagt, dass sie zu meiner kleinen Schwester gehen muss.“

Wieder schaute er gedankenverloren die Puppe an.

Ich suchte meinen Geldbeutel, sagte ihm, er soll doch das Geld nochmals nachzählen. Es könnte sein, dass er nun genug hat um die Puppe zu kaufen.

„Gut, ich hoffe, dass es nun reicht?“ Ich half ihm mit dem Zählen und steckte ihm etwas Geld zu, ohne dass er es gemerkt hat.

Er sagte: „Danke Gott, dass du mir genug Geld gegeben hast!“

Danach schaute er mich an und meinte, „Ich habe gestern gebetet, dass ich genug Geld für eine Puppe für meine Schwester habe. Und ich hoffe auch, dass es für eine weisse Rose für meine Mutter reicht. Meine Mutter liebt weisse Rosen.“

Einige Minuten später kam die ältere Dame zurück und ich verabschiedete mich von dem Jungen.

Ich erledigte alle meine Einkäufe mit einer ganz anderen Einstellung als diesen Morgen. Ich konnte den kleinen Jungen nicht vergessen.

Dann erinnerte ich mich an einen Zeitungsartikel, den ich vor zwei Tagen gelesen hatte. Es handelte sich um einen betrunken Automobilist, der ein Auto angefahren hat, in dem eine junge Frau und ein kleines Mädchen sassen. Das kleine Mädchen ist noch am Unfallort gestorben und die Mutter wurde in kritischem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert. Die Frau liegt seither im Koma.

War das die Familie des kleinen Jungen?

Zwei Tage nachdem ich den Jungen im Geschäft getroffen hatte, las ich in der Zeitung, dass die Autolenkerin, die vor vier Tagen einen Unfall hatte, ihren Verletzungen erlag. Ich konnte es nicht lassen und kaufte einen Strauss weisser Rosen, ging zur Kirche wo die Frau aufgebahrt war.

Sie lag dort. In ihrer Hand hielt sie eine weisse Rose, eine Puppe und ein Foto des kleinen Jungens aus dem Kaufhaus.

Als ich nach Hause lief, dachte ich darüber nach, wie gross die Liebe des kleinen Kindes ist für seine Schwester und seine Mutter ist. In einer Sekunde, kann sich das Leben so gewaltig ändern, dass nichts mehr ist wie es einmal war.

Der kleine Engel Benedikt – 27. Dezember

Der kleine Engel Benedikt
Gerlinde Bartels

Benedikt, der kleine Engel mit den roten Pausbäckchen war überglücklich. Dieses Jahr war er doch tatsächlich von der Himmelskommission, aus der Schar der Engel, für eine heißbegehrte Aufgabe ausgewählt worden, nämlich am Heiligen Abend dem Weihnachtsmann beim Verteilen der Geschenke zu helfen. Wirklich, überglücklich war er. Schon seit Wochen wurde in der Himmelswerkstatt über nichts anderes gesprochen als darüber, wer am 24. Dezember mit auf die Erde dürfte. Dem Weihnachtsmann zu helfen war etwas Tolles, etwas ganz Besonderes.
Schon die Fahrt mit dem Schlitten und den Rentieren davor – allen voran Rudolf – war ein außergewöhnliches Erlebnis. Klar war leider auch, daß viele kleine Engel gebraucht wurden um die Himmelswerkstatt wieder aufzuräumen, das Chaos zu beseitigen, das durch die Arbeiten für Weihnachten in den Werkstätten und in der Bäckerei entstanden war. Es mußten ja auch die Wolkenbetten aufgeschüttelt und die Sterne blank geputzt werden und viele Arbeiten mehr standen an. All die nicht immer geliebten Arbeiten, die aber irgendwann gemacht werden mußten.
Alle Kinder wissen, wovon hier die Rede ist. Und darum träumten alle Engel davon, einmal als Helfer des Weihnachtsmannes mit auf die Erde zu dürfen. Benedikt hatte es also geschafft, dieses Mal war er ausgesucht worden. Sein Glück war für ihn unfaßbar. Wo er doch dieses Jahr sehr oft bei der Weihnachtsbäckerei ermahnt worden war nicht so viel vom Teig und den Plätzchen zu naschen. Es war nicht so, daß der aufsichtsführende Engel es ihm nicht gönnte, jedoch waren die Wangen unseres kleinen Benedikts schon ganz schön gerundet und das Bäuchlein wurde auch ein wenig kugelig. Man kann sagen, Engel Benedikt war ganz groß darin, Sätze wie „Benedikt, gleich kriegst Du Bauchweh!“ zu überhören. Und die Rangelei mit seinem Freund, dem Engel Elias, weil dieser ihn „Mopsi“ genannt hatte, hatte er auch in die hinterste Schublade seines Denkens gepackt. All zu viele Ermahnungen bedeuten nichts Gutes, bedeuteten letzten Endes das Verbot einer Lieblingsbeschäftigung, meistens für eine ganz schön lange Zeit. Na, da hatte man wohl dieses Jahr ein Auge – wenn nicht sogar zwei – zugedrückt!Pünktlich am 24. Dezember stand der Schlitten mit den Rentieren, die mit den Hufen scharrten, vor dem Himmelstor. Viele Engel hatten sich versammelt, um ihnen nachzuwinken. Der Weihnachtsmann ließ die Peitsche knallen und mit lautem Schlittenglockengeläut ging es auf einem extrabreiten, glitzernden und glänzenden Mondstrahl hinunter auf die Erde. Rudolf versuchte sich in ein paar Extrasprüngen – er hatte wohl zu lange im Stall gestanden – was den Schlitten kurzfristig auf einen „Zick-Zack- Kurs“ brachte. Engel Benedikt fand das toll. Es würde ein langer Abend werden mit vielen Arbeitsstunden und so hatte der Weihnachtsbäckerei-Engel Engel Benedikt, die goldene Himmelsnaschdose voller köstlicher Leckereien, wie Marzipan- Kartoffeln, Schokoladenlebkuchen, Zimtsterne, Butterspekulatius zur Stärkung mitgegeben und beim Füllen hineingetan, was Engel Benedikt am liebsten mochte. Selig drückte er sie nun mit seinen dicken Patschhänden an sein Bäuchlein und kuschelte sich höchst zufrieden ein wenig an den Weihnachtsmann, um sich im nächsten Moment wieder kerzengerade aufzusetzen; schließlich war er als „Weihnachtsmann – Helfer – Engel“ schon beinahe ein großer Engel! Auf der Erde sah es so schön aus. Es schneite sacht – die dafür zuständigen Engel hatten wohl doch noch ein paar Tonnen voller Schnee im äußersten Winkel des Himmelsgefrierraumes gefunden. Der Schnee knirschte leise beim Betreten der Wege. Sanft leuchtete das Licht aus den Häusern und ließ den Schnee auf Straßen, Häusern und Bäumen glitzern. Kirchenglocken läuteten und verbreiteten eine festliche Stimmung. Sogar der Wind hatte sein ansonsten stürmisches Temperament gezügelt und war kaum spürbar. Engel Benedikt vermutete, er war auf dem Weg, sich zur Ruhe zu legen.Schon viele Stunden waren der Weihnachtsmann und sein kleiner Helfer unterwegs. Die Freude der Kinder, ihre glänzenden Augen, die friedliche Stimmung von alten und jungen Menschen, der milde Glanz der Kerzen aus den Wohnstubenfenstern hatte ihnen immer wieder neue Kraft gegeben. Jetzt hatten sie nur noch ein einziges nicht allzu großes Geschenk zu einer Wohnung im letzen Wohnblock einer Straße zu bringen.
Schon ein bißchen ermüdet gingen der Weihnachtsmann und Engel Benedikt am Fenster dieser Wohnung vorbei. Das Fenster war einen Spalt zum Lüften geöffnet worden. Engel Benedikt sah in das Wohnzimmer. Der Weihnachtsmann und er sahen ein Ehepaar mit einem kleinem etwa 7 Jahre alten Jungen. Der Junge sah sehr dünn und blaß aus und beide Eltern stützten ihn liebevoll, als sie vom Eßtisch zum Sofa gingen. Gerade beugte sich die Mutter über ihn und sagte: “ Was für ein Glück für uns, daß Du doch schon zu Weihnachten wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden konntest!“ „Ja Mama“ sagte der Junge, „das ist für mich das schönste Geschenk, mehr brauche ich eigentlich gar nicht.“ „Na, so ganz wird der Weihnachtsmann dich wohl nicht vergessen haben“, sagte der Vater zu seinem Sohn. Der Weihnachtsmann ging zur Wohnungstür um das kleine bescheidene Paket hinzulegen. „Hier, leg die Keksdose dazu“, flüstert der kleine Engel Benedikt und hob seine kleinen Arme mit den Köstlichkeiten in die Höhe um sie dem Weihnachtsmann zu geben. Es war sein voller Ernst und tat ihm eigentlich überhaupt nicht – na vielleicht ein winziges bißchen leid – was er aber ganz schnell unterdrückte. „Danke Bene, gut gemacht“, flüsterte der Weihnachtsmann und strich Engel Benedikt sacht über den Kopf. Die Wangen des kleinen Engels glühten vor Stolz. Bene hatte der Weihnachtsmann zu ihm gesagt. „Bene“ sagte sonst immer nur das Christkind zu ihm, wenn es ihn für besonders liebevolles Verhalten lobte.
Nachdem der Weihnachtsmann nun alle Geschenke verteilt hatte, begaben sich beide auf den Weg zum Rentierschlitten, um die Rückreise anzutreten. Sie kamen am Fenster vorbei und sahen, wie der Junge sich besonders über die Keksdose freute und rief: „Mama, Papa, guckt doch mal, wie sie glänzt und glitzert, und hmmm, hier probiert mal die Kekse, sie sind köstlicher, nein, einfach himmlisch!“ Der Weihnachtsmann und der kleine Engel lächelten sich an: „Wie recht er hat“ sagte der kleine Engel glücklich.

Der glückliche kleine Vogel – 26. Dezember

Der glückliche kleine Vogel
Gebrüder Grimm

Zizibä saß in einem kahlen Fliederbusch und fror. Zizibä war ein kleiner Vogel. Er hatte sein Federkleid dick aufgeplustert, weil`s dann ein wenig wärmer war. Da saß er wie ein dicker, runder ball, und keiner ahnte, wie dünn sein Körper drunter aussah. Zizibä hatte die Augen zu. Er mochte schon gar nicht mehr hinsehen, wie die Schneeflocken endlos vom Himmel herunterfielen und alles zudeckten. Alle Futterplätze waren zugeschneit. Ach und Hunger tat so weh. Zwei Freunde von Zizibä waren schon gestorben. Stellt Euch mal vor, Ihr müsstet in einem kahlen Strauch sitzen,ganz alleine im Schnee, und hättet nichts zu essen. Kein Frühstück, kein Mittagessen – und abends müsstet Ihr hungrig einschlafen, ganz allein draußen im leeren Fliederbusch, wo`s dunkel ist und kalt. Das wäre doch schlimm.

Zizibä musste das alles erleiden. Er saß da und rührte sich nicht.Nur manchmal schüttelte er den Schnee aus den Federn. Wieder ging ein hungriger Tag zu Ende. Zizibä wollte einschlafen. Er hörte plötzlich ein liebliches Geklingel. Dann wurde es hell und warm, und Zizibä dachte: Oh, das ist gewiss der Frühling. Aber es war der Weihnachtsengel. Er kam daher mit einem Schlitten voller Weihnachtspakete. Er sang vergnügt. „Morgen Kinder wird`s was geben…“ und leuchtete mit seinem Laternchen den Weg. Da entdeckte er auch unseren Zizibä. „Guten Abend“, sagte der Engel, „warum bist du so traurig?“ – „Ich hab‘ so Hunger“, piepste Zizibä und machte vor Kummer wieder die Augen zu. – „Du armer kleiner“, sagte der Engel, „ich habe auch nichts zu essen dabei. Woher kriegen wir nur was für dich?“ Aber das war´s ja, was Zizibä auch nicht wusste. Doch dann hatte der Engel eine himmlische Idee.

„Warte“, sagte er, „ich werde dir helfen. Bis morgen ist alles gut. Schlaf nur ganz ruhig.“ Aber Zizibä war schon eingeschlafen und merkte gar nicht, wie der Engel weiterzog und im nächsten Haus verschwand.

Im nächsten Haus wohnte Franzel. Das war ein netter, kleiner Bub. Jetzt lag er im Bett und schlief und träumte von Weihnachten. Der Engel schwebte leise herzu , wie eben Engel schweben, und beugte sich über ihn. Leise, leise flüsterte er ihm etwas ins Ohr, und was Engel sprechen, das geht gleich ins Herz. Der Franzel verstand auch sofort, um was sich`s handelt, obwohl er fest schlief.

Als er am nächsten Morgen wach wurde, rieb er sich die Augen und guckte zum Fenster hinaus. „Ei, so viel Schnee“, rief er, sprang aus dem Bett, riss das Fenster auf und fuhr mit beiden Händen in den Schnee. Dann machte er einen dicken Schneeball und warf ihn aus Übermut hoch in die Luft. Plötzlich hielt er inne. Wie war das noch heute Nacht? Hatte er nicht irgend etwas versprochen? Richtig, da fiel´s ihm ein. Er sollte dem Zizibä Futter besorgen.
Der Franzel fegte den Schnee vom Fensterbrett und rannte zur Mutter in die Küche. „Guten Morgen, ich will den Zizibä füttern, ich brauch Kuchen und Wurst!“, rief er.“Das ist aber nett, dass du daran denkst“, sagte die Mutter, „aber Kuchen und Wurst taugen nicht als Futter. Der Kuchen weicht auf, und die Wurst ist viel zu salzig. Da wird der arme Zizibä statt an Hunger an Bauchschmerzen sterben.“

Die Mutter ging und holte eine Tüte Sonnenblumenkerne. „Die sind viel besser“, sagte sie. Der Franzel streute die Kerne aufs Fensterbrett und rief: „Guten Appetit, Zizibä!“ Dann musste er sausen, um noch rechtzeitig zur Schule zu kommen.

Als die Schule aus war, kam er auf dem Nachhauseweg beim Samenhändler Korn vorbei. Der Franzel ging in den Laden und sagte: „Ich hätte gern Futter für die Vögel im Garten.“ Er legte sein ganzes Taschengeld auf den Tisch. Dafür bekam er eine große Tüte voll Samen und Meisenringe. Nun rannte er nach Hause zu seinem Fensterbrett. Aber – o weh – da war alles zugeschneit. Doch die Körner waren verschwunden. Die hatte Zizibä noch rechtzeitig entdeckt. Er hatte seine Vettern und Kusinen herbeigeholt, und sie hatten sich einen guten Tag gemacht, während der Franzel in der Schule war. Es darf nicht wieder alles zuschneien, dachte der Franzel, und als sein Vater am Nachmittag heimkam, machten sie sich gleich daran und zimmerten ein wunderschönes Futterhaus. Das hängten sie vor dem Fenster auf.

Am nächsten Tag sprach sich´s bei der ganzen Vogelgesellschaft herum, dass es beim Franzel etwas Gutes zu essen gab. Das war eine große Freude, denn kein Vogel brauchte mehr vor Hunger zu sterben, und abends, wenn der Engel vorbeikam, sah er nur satte und zufriedene Vögel friedlich schlummern. Dafür legte er dem Franzel noch ein Extra-Geschenk unter den Weihnachtsbaum, und es wurde ein wunderschönes Fest.

Das Mädchen und die Schildkröte – 25. Dezember

Das Mädchen und die Schildkröte
Verfasser unbekannt

Es war der 24. Dezember, und es schneite. Gleichmütig und gleichmäßig fiel der Schnee. Er fiel auf die Fabrik für künstliche Blumen, und sein frisches Weiß gab dem häßlichen Backsteinbau etwas beinahe Heiteres. Er fiel auf die Villa des Fabrikanten, deren eckige Fassade er mit gefälligen Rundungen versah, und er fiel auf das Einfamilienhaus des Werkmeisters, aus dem er ein drolliges Zuckerhäuschen machte.
In den Hallen der Fabrik war um diese Zeit keine Menschenseele, Ein mißglücktes Veilchen aus Draht und Wachs sinnierte im Kehrichteimer vor sich hin, eine eiserne Tür zum Hof bewegte sich quietschend in den ausgeleierten Scharnieren.
In der Villa nebenan telefonierte die Gnädige zum viertenmal aufgeregt mit der Tierhandlung wegen der bestellten Schildkröte.
Früher, als junge Dame, war die Gnädige entzückend aufgeregt gewesen. Jetzt war sie nur noch aufgeregt.
Im Einfamilienhaus schrieb das jüngste der elf Kinder, die kleine Sabine, zum viertenmal ihren Wunschzettel: „Lihber Weihnachtsman ich möchte, eine Schildkröte hahben deine Sabine.“
Die Gnädige erwartete die Schildkröte zur Suppe. Sabine erwartete sie als Spielgefährtin. Und der Zufall in Gestalt eines Botenjungen sprach die Schildkröte derjenigen zu, die sie verdiente.
Hier muß endlich bemerkt werden, daß die Villa und das Einfamilienhaus eine Kleinigkeit gemeinsam hatten: Das Namensschild an der Tür. Auf beiden Schildern las man „Karl Moosmann“. Zwar las man bei dem Fabrikanten einen Buchstaben mehr, nämlich „Karl F. Moosmann“. Aber für derlei feine Unterschiede haben Zufälle und Botenjungen kein Auge.
So kam es, daß die Schildkröte ins Einfamilienhaus gebracht wurde, wo man sie freudig und arglos in Empfang nahm.
Vater Moosmann glaubte weder an Engel, die als Botenjungen verkleidet kommen, noch an die Gaben guter Feen. Aber er glaubte daran, daß die kleinen Wünsche kleiner Kinderherzen Gewalt über Menschen und Dinge haben. Deshalb freute er sich, als der liebenswürdige Zufall seinen Glauben bestätigte.
Sabine erhielt das unerwartete Geschenk schon vor der Bescherung. Die erste Begegnung mit dem Tier verlief für beide Teile etwas unglücklich. Die Schildkröte unterschied sich von der geliebten Bilderbuchschildkröte nämlich dadurch, daß sie zappelte, wenn man sie aufhob, und daß sie bei ungeschickter Berührung sogar fauchte. Das irritierte Sabine so heftig, daß sie das Tier fallen ließ. Zum Glück fiel es nicht tief. Sabine maß noch keinen Meter.
Das Mädchen konnte vor Schreck nur „plumps“ sagen. Doch dann hob sie das Tier trotz der strampelnden Beine wieder auf, streichelte den hell- und dunkelbraun geschuppten Panzer und sagte: „Armer Plumps!“ Und damit war das Tier getauft. Aus einer beliebigen Schildkröte war sie zu einer bekannten geworden, zur Schildkröte Plumps Moosmann.
Indessen telefonierte die Gnädige zum fünftenmal mit der Tierhandlung, und ihre metallische Stimme kippte dabei zuweilen leicht über: „…ist doch großer Unfug. Wie kann sie hier sein, wenn niemand sie gebracht hat? … Bitte?… Nein, Schildkrötensuppe!… Schildkrötensuppe!… Was sagten Sie?… Die letzte? Das wird ja immer heiterer! Ich habe sie doch zeitig genug bestellt!… Ist denn der Bote noch nicht zurück?… Wie?… Also dann rufe ich in einer halben Stunde noch einmal an. Wenn sie dann noch nicht da ist, haben Sie einen Kunden weniger!Adieu!“
Der Hörer fiel scheppernd in die Gabel und die Gnädige in den Teakholzsessel. Erst jetzt bemerkte sie, daß ihr Sohn Alexander in der Tür stand.
„Bekomme ich auch eine Schildkröte zu Weihnachten, Mama?“
Als die Gnädige antwortete, war ihr Stimme um einen Ton weicher als gewöhnlich. „Die Schildkröte ist für die Suppe, Alex! Vater wünscht sich eine echte Mockturtlesuppe zum Fest.“
Alexander zog eine Schnute, die ihm reizend stand, und wollte abziehen. Aber er besann sich anders, drehte sich noch einmal um und äußerte betont beiläufig: „Sabines Schildkröte heißt Plumps. Sie wird nicht zu Mucketurtelsuppe verarbeitet.“
Dann wollte er endgültig gehen. Aber diesmal hielt die Mutter ihn zurück.
„Was ist das für eine Schildkröte, von der du sprichst, Alex?“
„Sabine hat heute nachmittag eine Schildkröte zu Weihnachten bekommen. Sie weiß nicht, von wem. Sie heißt Plumps.“
„Heute nachmittag, sagst du? Warte, bitte!“
Zum sechstenmal an diesem Nachmittag des 24. Dezember telefonierte die Gnädige mit der Tierhandlung. Der Bote war gerade zurückgekommen und berichtete, daß er das Tier bei Karl Moosmann abgeliefert habe.
Damit war die Sache klar: Sabine hatte versehentlich die Schildkröte der Gnädigen bekommen. Also wurde Alexander ins Nachbarhaus geschickt, um den Irrtum aufzuklären und die Schildkröte herüberzuholen.
Die Moosmannkinder nebenan waren allesamt rothaarig. Das Rot ihrer Schöpfe reichte vom blassen Gold bis fast zum Zinnober. Sie waren gerade dabei, sich für die Bescherung umzuziehen, als Alexander herübergestürmt kam. So traf der Bub nur Mieze, die Älteste, die in der Küche stand und kochte. Die kleine Sabine bemerkte er nicht; denn sie hockte mit ihrer Schildkröte hinter der halb offenen Küchentür.
„Du, Mieze, es ist unsere Schildkröte!“ schrie er ohne jede Einleitung. „Wir brauchen sie für die Mucketurtelsuppe. Der Bote hat sie aus Versehen zu euch gebracht!“
„Mockturtlesuppe kocht man aus Kalbsköpfen und nicht aus Schildkröten“, bemerkte Mieze, denn sie besuchte eine Kochschule.
„Trotzdem ist es unsere Schildkröte. Wo ist sie?“
Mieze zuckte mit den Schultern und schielte unauffällig zur Küchentür. Aber weder Sabinchen noch die Schildkröte waren zu sehen. Sie gab Alexander den Rat, im ersten Stock nachzuforschen.
Im Mädchenschlafzimmer des ersten Stocks fingen vier Moosmannmädchen bei Alexanders Eintritt zu kreischen an. Sie probierten gerade drei gewaltige Petticoats. Das belustigte Alexander. Aber die Schildkröte hatte er noch immer nicht.
Im Jungenschlafzimmer spielte er mit drei Moosmannbuben Domino. Das war aufregend. Aber die Schildkröte hatte er noch immer nicht.
Auf der Treppe lief er dem alten Moosmann in den Weg, der schon von der Verwechslung gehört hatte und die Stirn krauste.
„Wenn die Schildkröte euch gehört, muß Sabine sie zurückgeben“, meinte er. „Es gibt ja noch mehr Schildkröten auf der Welt. Sag deiner Mutter, wir brächten das Tier, sobald wir Sabine gefunden haben.“
Alexander raste mit dieser Nachricht in die Villa zurück, und zehn Moosmannkinder suchten Sabine mit ihrer Schildkröte.
Eine Stunde später suchte man das Schwesterchen noch. Schließlich wurde Mieze in die Fabrikantenvilla geschickt, um nachzuforschen, ob Sabine schon dort sei. Aber auch dort war das Mädchen nicht.
Erst jetzt begriff Mieze, was geschehen war: Sabine hatte die Unterhaltung in der Küche belauscht und sich mit ihrer Schildkröte irgendwo versteckt, um das Tier behalten zu können. Aber wo steckte das Kind?
Mieze erzählte der Gnädigen von ihrer Vermutung und fügte hinzu: „Echte Mockturtlesuppe wird übrigens aus Kalbskopf hergestellt, obwohl man sie fälschlich Schildkrötensuppe nennt.“
„Sind Sie ganz sicher?“ fragte die Gnädige.
„Ganz sicher“ , antwortete Mieze. „Ich besuche einen Kochkurs. Außerdem können Sie es in jedem Lexikon nachlesen.“
„Danke für die Belehrung, mein Kind“, erwiderte die Gnädige.
„Unter diesen Umständen erlaube ich Sabine, die Schildkröte zu behalten!“
„Vorausgesetzt, wir finden Sabine“, gab Mieze ruhig zurück und verließ die Villa.
Draußen schneite es noch immer. Es dunkelte schon, und die Stunde der Bescherung rückte näher. Aber im Hause der Moosmannkinder zeigte sich keine Sabine.
Hin und wieder kam Alexander von der Villa herüber und fragte, ob das Mädchen gefunden sei. Aber er kehrte jedesmal ergebnislos zu seiner Mama zurück.
Gegen halb fünf zog die Gnädige ihren Pelzmantel an und ging selbst ins Nachbarhaus. Obschon sie für die heillose Verwechslung nichts konnte, fühlte sie eine Art Mitschuld.
Mutter Moosmann saß als ein Häufchen Elend in der Küche. Vater Moosmann donnerte sinnlose Befehle ins Haus und scheuchte seine Kinder in die entferntesten Winkel.
In diesem Wirrwarr verwandelte sich die nervöse Aufregung der Gnädigen plötzlich in erstaunliche Tatkraft um.
„Frau Moosmann, bereiten Sie die Bescherung vor!“ sagte sie in so entschiedenem Ton, daß Mutter Moosmann wirklich aufstand und sich am Küchentisch zu schaffen machte.
„Glauben Sie, wir finden Sabine?“ Mutter Moosmann schluckte bei der Frage.
„Wir werden sie alle zusammen suchen“, antwortete die Gnädige. „Und ich bin sicher, wir finden sie!“
Unter Leitung der Gnädigen begann eine planmäßige Suche durch das ganze Haus, an der Vater Moosmann sich merkwürdig widerspruchslos beteiligte. Der Kloß in seiner Kehle wurde immer kleiner, als er eine Aufgabe hatte.
Aber der Kloß wuchs zur alten Größe, als nach einer halben Stunde das Ergebnis der Suche feststand: Sabine war nicht im Haus.
Jetzt war die Gnädige nicht mehr so zuversichtlich wie zuvor. Aber sie zwang sich, es niemanden merken zu lassen.
„Sabine hat das Haus verlassen“, stellte sie mit betont sachlicher Stimme fest. „Wir müssen die ganze Nachbarschaft durchkämmen. Ich habe einen Mann, einen Sohn und zwei Dienstboten. Die werden mitsuchen. Jeder nimmt ein Revier. Ich übernehme die Fabrik.“
Zunächst wurde von der Villa aus mit der Polizei telefoniert. Aber die hatte kein Mädchen mit Schildkröte aufgegriffen. Immerhin wollte sie die Augen offenhalten.
Dann schwärmte man, einschließlich Fabrikant und Hausmädchen, nach einem genau durchdachten Plan unter dem wirbelnden Schnee in die Häuser und Gassen der Nachbarschaft aus.
Die Gnädige schritt entschlossen in den Hof der Fabrik und entdeckte hier eine weit offenstehende Eisentür.
Als sie durch die Tür in die Fabrik trat und das Licht einschaltete, hörte sie aus einer entfernten Ecke der riesigen Halle eine Art leises Quieken. Sie wandte den Kopf und entdeckte rechts hinten in der Ecke ein ganz in sich zusammengekrümmtes Geschöpfchen: Sabine.
„Aber Kind, was machst du denn da?“ Ihre Stimme hallte kalt und fremd durch den Raum.
„Du kriegst die Schildkröte nicht!“ schrie das Mädchen. „Plumps gehört mir!“
Erst jetzt bemerkte die Gnädige, daß Sabine auf dem Kehrichteimer hockte und die Schildkröte auf dem Schoß hatte.
Sie schritt quer durch die Halle auf das Mädchen zu, das noch mehr in sich zusammenkroch und ihr mit großen, ängstlichen Augen entgegensah.
„Du kannst die Schildkröte behalten, Sabine! Ich brauche sie nicht mehr.“
Das Kind umklammerte die Schildkröte. Ihre Augen verrieten Zweifel.
Die Gnädige war verwirrt und wiederholte: „Du kannst die Schildkröte behalten!“
Als sie fast vor Sabine stand, rief das Mädchen: „Du lügst! Du willst Suppe aus ihr kochen! Aber man kann die Suppe auch aus Kalbsköpfen kochen, sagt Mieze.“
Jetzt mußte die Gnädige lachen. „Du hast recht“, gab sie zu. „Die Suppe, die ich kochen will, macht man aus Kalbskopf. Deshalb brauche ich überhaupt keine Schildkröte.“
„Schwöre, daß es meine Schildkröte ist!“
Halb befremdet, halb belustigt, legte die Gnädige eine Hand auf das Herz, hob die andere zum Schwur und versicherte feierlich: „Ich schwöre, daß die Schildkröte mit Namen Plumps der Sabine Moosmann gehört!“
„Jetzt glaube ich dir!“ Das Mädchen stand auf, setzte die Schildkröte zu Boden und sagte: „Nun zeige ich dir, wie schnell Plumps laufen kann!“
„Zeig es mir später, Sabine. Wir müssen heim. Ich glaube, du hast dich erkältet. Und Plumps muß auch in die Wärme zurück. Die meisten Schildkröten halten nämlich um diese Zeit ihren Winterschlaf.“
„Weiß ich“, bestätigte Sabine mit Kennermiene. „Ich muß eine Kiste mit Torf für Plumps besorgen.“
Plötzlich begann die Schildkröte heftig mit den Beinen zu strampeln, und Sabine fing an zu niesen. Da ergriff die Gnädige entschlossen die freie Hand des Mädchens und ging mit ihr durch den fallenden Schnee hinüber zum Haus der Moosmannkinder.
Unterwegs meinte Sabine: „Wenn du keine Suppe aus Schildkröten kochst, könntest du dir eigentlich eine Schildkröte zum spielen anschaffen!“
„Geht nicht, Sabine! Plumps war die letzte Schildkröte in der Tierhandlung. Die anderen liegen im Winterschlaf.“
Das kleine Mädchen blieb plötzlich stehen, zögerte einen kurzen Augenblick, blickte die Schildkröte an, die sich unter ihrem Panzer verkrochen hatte, und legte sie sanft der Gnädigen in den Arm. „Ich schenk sie dir zu Weihnachten! Es gibt ja noch andere Schildkröten. Ich bestell mir eine im Frühling.“
Die Gnädige sah verwirrt auf die Schildkröte, die auf dem weichen Pelz des Mantels vorsichtig den Kopf hervorstreckte.
„Es gefällt ihr bei dir“, sagte Sabine.
„Trotzdem glaube ich, daß du mehr Zeit für die Schildkröte hast als ich, Sabine. Ich gebe dir das Geschenk zurück.“
Wieder wechselte das verschüchterte Tier den Besitzer.
Sabine strahlte. „Du hast recht“, meinte sie. „Ich kann mich mehr um Plumps kümmern als du. Außerdem ist sie ja schon an mich gewöhnt. Du bist viel netter, als ich dachte. Vielen, vielen Dank und fröhliche Weihnachten.“
Die Gnädige schluckte ein bischen und sagte mit ungewohnt weicher Stimme: „Fröhliche Weihnachten, Sabine!“
Dann wanderten sie Hand in Hand weiter und wurden bald von den Flocken verdeckt, die gleichmäßig und gleichmütig auf Gerechte wie auf Ungerechte fielen.

Die Weihnachtsgeschichte nach Lukas – 24. Dezember

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Ich wünsche allen Verwandten, Freunden und Bekannten frohe und besinnliche Weihnachten.

Es begab sich aber zur der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, daß sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:

Ehre sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden
bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Und als die Engel von ihnen in den Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Laßt uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in einer Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

LUKAS 2,1 – 20

Morgen kommt der Weihnachtsmann – 23. Dezember

Morgen kommt der Weihnachtsmann

© Elke Bräunling

„Schon wieder Weihnachten“, stöhnte der Weihnachtsmann. „Ich mag mich nicht mit den schweren Säcken abschleppen.“
Lustlos zog er die Stiefel und den roten Mantel an und warf sich den Sack, der sich seltsam leicht anfühlte, über die Schultern. Dann machte er sich auf den Weg zu den Kindern.
Endlich hatte er die kleine Stadt erreicht. Mit müden Schritten schlurfte er zur Tür des ersten Hauses, wo er seine Geschenke ablegen wollte. Als er gerade seinen Sack von der Schulter nahm, öffnete sich die Tür und ein kleines Mädchen stand vor ihm.
„Hallo“, sagte es. „Wer bist du?“
„Der Weihnachtsmann, wer sonst?“
Das Mädchen wunderte sich. „Warum kommst du heute schon? Heiligabend ist doch erst morgen.“
„Morgen?“ Der Weihnachtsmann schüttelte verwirrt den Kopf. „Warum sagt mir das keiner?“
Er schnürte den Sack auf und fragte: „Würde es dich sehr stören, wenn ich dir deine Geschenke gleich jetzt gäbe? Dann hätte ich mir für morgen einen Weg erspart.“
Das Mädchen lachte. „Aber dein Sack ist doch ganz leer.“
„Leer?“ Jetzt musste der Weihnachtsmann auch lachen. „Deshalb fühlte er sich so leicht an. Ich muss wohl heute Morgen mit dem linken Fuß aufgestanden sein. Habe ich doch tatsächlich das Datum verwechselt! Tss!“
Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Und was machen wir nun?“, fragte er ein wenig ratlos.
Das Mädchen überlegte. „Wie wäre es, wenn ich heute dir einmal etwas schenke?“
„Wie bitte?“, wunderte sich der Weihnachtsmann. „Du willst mir etwas schenken? Das ist doch gar nicht üblich.“
„Aber es ist eine schöne Idee. Pass auf!“
Und das Mädchen begann, dem Weihnachtsmann ein Gedicht, das es sich selbst ausgedacht hat, aufzusagen.
„Schön!“, sagte der Weihnachtsmann und wischte sich gerührt eine Freudenträne von der Backe. „Noch nie hat mir ein Kind ein Gedicht geschenkt.“
„Och, ich kann dir auch noch ein Lied schenken, auch wenn meine Lehrerin immer sagt, ich könne nicht gut singen.“
Und bevor der Weihnachtsmann etwas sagen konnte, begann es das Lied ´Morgen kommt der Weihnachtsmann´ zu singen.
Die Töne klangen wirklich sehr falsch, doch das machte dem Weihnachtsmann nichts aus.
„Das ist das schönste Lied, das ich je gehört habe“, rief er, und dieses Mal musste er einen ganzen Tränenbach aus dem Gesicht wischen.
„Und es stimmt, das Lied“, kicherte das Mädchen. „Denn morgen kommt wirklich der Weihnachtsmann.“
Da musste der Weihnachtsmann auch kichern. „Wie Recht du hast. Morgen komme ich. Morgen und nicht heute. Und weißt du, jetzt geht es mir viel besser. Doch jetzt muss ich gehen.“ Er deutete auf seinen leeren Sack. „Ich schätze mal, es wartet hier noch einige Arbeit auf mich.“
„Das glaube ich auch“, sagte das Mädchen und gab dem Weihnachtsmann zum Abschied einen dicken Kuss auf die Wange.
„Schon wieder ein Geschenk!“, rief der Weihnachtsmann fröhlich.
Dann ging er leichten Fußes zurück zu seinem Schlitten. Dabei sang er fröhlich und mit vielen falschen Tönen: „Morgen kommt der Weihnachtsmann…“