
Kristanella und das Wintergewitter
von Elke Bräunling
Der Schneekönig ist ein glücklicher König. Zwölf Töchter und zwölf Söhne hat er. Das sind die Schneeprinzessinnen und Schneeprinzen. Der Schneekönig liebt seine Kinder über alles, und manchmal verwöhnt er sie ein bisschen zu sehr.
„Lieber zu viel als zu wenig“, sagt er dann und lacht. „Ich habe sie doch so lieb, meine kleinen Prinzessinnen und Prinzen!“
Sein Lieblingskind aber ist seine jüngste Tochter, die Schneeprinzessin Kristanella. Er verwöhnt sie auch am meisten. „Sie ist noch so klein“, sagt er und nimmt Kristanella in seine Eisarme. „Und wie schön sie ist! Glitzerfunkelschön.“
Ja, der Schneekönig ist sehr stolz auf seine schöne, jüngste Tochter.
Einmal aber, vor vielen Jahren, war er gar nicht stolz auf sie, sondern sehr wütend. Es war das Jahr, in dem Kristanella zur rechten Schneeprinzessin werden und zum ersten Mal auf die Erde reisen sollte.
Die Kinder des Schneekönigs müssen nämlich auch arbeiten. Im Winter, wenn die Schneeflocken ihren Weg auf die Erde suchen. Da sind sie es, die den Flockengeistern den weiten Weg zur Erde zeigen und sie in Städte und Dörfer, auf Wiesen und Felder, in Täler, Wälder und auf Berge führen. Das ist ein hartes Stück Arbeit, und die Schneeprinzessinnen und Schneeprinzen haben viel zu tun. Nur Kristanella hatte lange Zeit keine Lust, mit ihrer Arbeit zu beginnen. Sie tanzte lieber mit den Flockengeistern über den Schneewolkenhimmel und sang mit kristallheller Stimme ihre Lieder.
„Lasst sie doch“, hatte der Schneekönig gesagt, wenn sich die Geschwister über Kristanella beschwerten. „Sie ist noch so jung. Und ihre Stimme! Ach, wie ich ihre Stimme liebe!“
„Aber sie ist faul“, riefen die Geschwister empört.
„Im nächsten Jahr wird sie mit ihrer Arbeit beginnen“, versprach der Schneekönig.
Das versprach er jedes Jahr, aber dann brachte er es doch nicht übers Herz, Kristanella zur Erde hinunter zu schicken.
Eines Tages aber war es soweit. „Dieses Jahr musst du auch arbeiten“, sagte er mit strenger Stimme zu Kristanella. „Es ist an der Zeit, dass eine rechte Schneeprinzessin aus dir wird.“
„Aber ich bin doch eine rechte Schneeprinzessin“, maulte Kristanella. „Ich möchte lieber mit meinen Flockengeistern über den Himmel toben. Das macht so viel Spaß! Ach, bitte, Vater. Lasst mich bleiben.“
Kristanella schmeichelte und schmeichelte, doch dieses Mal blieb der Schneekönig hart.
Er zeigte auf ein kleines Land mit hohen Bergen und weiten Wiesen. „Dort unten liegt dein Schneeland. Ich wünsche, dass es in diesem Winter prächtig weiß und tief verschneit ist.“
„Aber, ich …“, begann Kristanella, doch der Schneekönig ließ sie nicht aussprechen.
„Du gehst zur Erde und tust deine Pflicht. Basta!“ Und er schickte besonders viele Flockengeister mit den schönsten Schneeflocken und Eiskristallen zu Kristanella.
Die aber war wütend. „Keines meiner Flockengeister werde ich den Erdbewohnern schenken. Sie gehören mir ganz alleine. Sie lachte hell auf und tanzte mit ihren Flockengeistern über den Schneewolken. Sie tanzte und lachte und sang und freute sich. Schön war das Leben!
Der Schneekönig aber war wütend. Frostklirrewütend. Wenn er auf das kleine Land mit den welken Wiesen und kahlen Felsbergen sah, packte ihn der Ärger. Wo blieb Kristanella mit ihren Flockengeistern? Wo blieb der Schnee?
Das fragten sich auch die Kinder in dem kleinen Land.
„Warum schneit es dieses Jahr nicht?, riefen sie traurig. „Wo bleibt der Schnee?“
Kristanella aber machte nur eine lange Nase, lachte, sang ihre Lieder und tanzte über den Himmel.
„Kristanella!, rief der Schneekönig. „Tu deine Pflicht!“
„Pflicht? Hihihiiiii …“, gab Kristanella zur Antwort.
„Hihihiiiii ….“, kicherten auch die Flockengeister. „Schneien, hihi, das tun wir nie-ie-ie!“
Da brüllte der Schneekönig auf einmal los. So donnernd und laut, wie er noch nie in seinem Leben gebrüllt hatte. Der ganze Himmel zuckte zusammen, die Wolken bäumten sich auf und Blitze fuhren zischend zur Erde herab. Es donnerte und blitzte und dröhnte. Und der Schneekönig brüllte mit dröhnender Stimme:
„Kri-sta-nel-la! Kri-sta-nel-la! Auf zur Erde, dass es werde hell und heller, schneeweiß klar. Kri-sta-nel-la! Kri-sta-nel-la! Auf die Reise! Sei so weise, schnell und schneller, bist du da!“
Ein besonders heller Blitz zuckte auf, und Kristanella sah in seinem Licht das wütende Gesicht ihres Vaters. So wütend hatte sie ihn noch nie gesehen.
„Er scheint böse zu sein“, wisperte sie erschrocken.
Angst hatten auch die Menschen auf der Erde.
„Ein Wintergewitter“, sagten die Erwachsenen.
„Vielleicht schneit es endlich“, hofften die Kinder und klammerten sich ängstlich an ihre Eltern.
Auch Kristanella hatte auf einmal genauso viel Angst wie die Kinder und sie rief eilig ihre Flockengeister herbei. „Auf, auf, lasst uns zur Erde ziehen!“
Und schon wirbelten die ersten Schneeflocken vom Himmel.
„Es schneit!, riefen die Kinder. „Juchhu! Es schneit!“ Und fröhlich rannten sie in das Schneeflockengestöber hinaus.
Zufrieden sah der Schneekönig zur Erde hinab.
„Na also“, brummte er, und es klang wie ein leises, fernes Donnergrollen. „Wozu ein Gewitter doch manchmal gut ist.“ Er lächelte und zog sich auf seinen Thron zurück.
Kristanella aber lächelte nicht. Traurig nahm sie von ihren Flockengeistern Abschied.
Als sie aber sah, wie sich die Kinder über ihren Schnee freuten, war sie getröstet. Und, ehrlich, schön sah das kleine Land im weißen Schneekleid aus. Stolz begutachtete Kristanella ihr Werk. Und hatten nicht die Flockengeister zum Abschied „Wir-sehen-uns-im-nächsten-Winter-wieder?, gerufen? Wenn das stimmte …!?
Kristanella war nicht länger traurig. Fröhlich blickte sie über das kleine Schneeland und sang mit heller, kristallklarer Stimme: „Im nächsten Winter sehn wir uns wieder, ihr Flockengeister, und ich singe euch Lieder …“
Sie sang und sang, ja, und das tut sie seither jeden Winter.
Man kann sie hören, manchmal, an einem besonders hellen Wintertag, wenn die Sonne scheint und Schneesterne funkeln. Psst! Leise! Ohren spitzen!
Es ist schön an solchen kalte Jahreszeiten solche Geschichten zu lesen. Bei liebe bin ich auch der Meinung das da lieber mehr sein sollte als zu wenig.
Lg Imelda
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